Neben unserem Konzept der Three-Level City für Singapur – das eine sehr konkrete Lösung für die Herausforderung der in Bezug auf die Fläche begrenzten, aber stark wachsenden Smart City liefert – erarbeiten wir auch andere Ansätze für urbane Seilbahnen in den wachsenden Metropolen:
Zahlreiche westliche Städte bieten bereits Seilbahnen. Bestehende Lösungen prägen das Stadtbild allerdings eher als Touristenattraktion, deren wiederholte Nutzung der lokalen Bevölkerung kaum Mehrwert verschafft. Andere existierende Beispiele finden sich in Schwellen- und Entwicklungsländern – etwa in La Paz in Bolivien, das über das größte öffentliche Nahverkehrs-Seilbahnnetz der Welt mit insgesamt 3 Linien verfügt und noch weiter ausgebaut werden soll.
Bei der Errichtung dieser Seilbahnen stand durchwegs ihre Funktionalität im Vordergrund. Häufig scheint alleine die Tatsache, dass auf einem Berg oder in schwer zugänglichem Gelände überhaupt ein Verkehrsmittel geboten werden kann, beeindruckend. Was all diesen Verkehrslösungen gemeinsam ist: Ihre Gestaltung sticht auffallend aus dem Stadtbild heraus und erinnert stark an die klassische Anwendung im Bereich des Wintersports.
Vorteilhaft auch abseits des Wintersports
Dabei eignen sich Seilbahnen für weitaus mehr als nur den Transport von Schifahrern und Snowboardern. Ihre typischen Vorzüge liegen in der Überbrückung von Höhenunterschieden oder von unwegsamem Gelände, Flüssen oder ähnlichen Topografien. Daneben bieten sie auch weniger offensichtliche, positive Eigenschaften wie etwa ihre rasche Errichtung, den effizienten Betrieb und geringen Energieverbrauch, die kostengünstige Instandhaltung sowie Wartung, den geringe Personalbedarf und die Umweltfreundlichkeit aufgrund nur geringer Emissionen. Immerhin werden viele Gondeln von nur einem zentralen Motor befördert.
In Städten findet sich ein radikal anderes Umfeld für Seilbahnen als im alpinen Bereich: Während der Aufbau und die Anbindung an Energiequellen deutlich unkomplizierter durchführbar ist, kommt im urbanen Lebensraum der Gestaltung und der Integration in das Stadtbild deutlich höhere Bedeutung zu.
Optimale Integration in Lebensraum
Da Seilbahnen aufgrund ihrer Höhe stärkeren Einfluss auf das Stadtbild nehmen als etwa unterirdische oder straßengebundene Öffentliche Nahverkehrsmittel, empfehlen wir die möglichst reduzierte und zeitlose Gestaltung von Gondel und Stützen sowie den größtmöglichen Einsatz von Glas. Etwaige störende Vibrationen und Lärmemissionen in der Nähe der Stützen können durch verschiedene Maßnahmen eingedämmt werden: Schall-schluckende Verkleidung der Rollen oder „aktive Seilaufhängung“, bei der Sensoren bei ankommender Gondel ein punktuelles Ausweichen der Gondelaufhängung auslösen, können dazu optimal beitragen.
Als „natürliche“ Streckenführung im urbanen Umfeld bieten sich bereits bestehende Schneisen entlang mehrspuriger Straßen an. Werden die Stützen etwa auf vorhandenen Mittelstreifen platziert, integrieren sie sich weitaus besser in das Stadtgefüge als bei Querverläufen. Herrschendem Platzmangel oder sehr schmalen Straßenzügen kann via Versorgung der Liftanlage auf nur einer Seite der Station, also extra-schmalen Stationen mit übereinander- statt nebeneinander liegenden Bahnsteigen begegnet werden.
Bestandteil des multimodalen Angebots
Ein zentraler Aspekt, der bei der Errichtung einer urbanen Seilbahn bedacht werden muss, ist die Anbindung an das bestehende Verkehrsnetz und die Schaffung eines multimodalen Angebots: Die Stationen sollten etwa so angelegt werden, dass Pendler direkt vom Parkdeck einer Park&Ride-Anlage am Stadtrand in eine Gondel überwechseln können. An den verschiedenen Ausstiegstellen können sie zum Beispiel in ein Sharing- oder Pooling-System überwechseln und die letzten Meter ins Büro mit einem Miet-Fahrrad bewältigen. Alle Anschlussmöglichkeiten an weitere Verkehrslösungen sollten im Sinne einer Gesamtlösung für die Nutzer bereits vor der Errichtung einer Seilbahn optimal einbezogen werden.
Die Steigfähigkeit einer Seilbahn kann ideal für deren Anbindung an den ebenerdigen Verkehr genutzt werden. Sogar eine direkte U-Bahn-Anbindung ist denkbar: Eine unterirdische Station deren Umgebung nach oben hin geöffnet ist, bietet nicht nur Raum für Shopping sondern auch Tageslicht-durchfluteten Lebensraum und die Möglichkeit der Seilbahn-Anbindung. Separate Seitenspuren für Gondelwartung und -reparatur, eine Parkanlage mit Dachbegrünung und unterhalb des Seilbahnverlaufs ein attraktives Wasserbecken bzw. eine Brunnenanlage als Alternative zu Absperrungen in der Ein- und Ausfahrtszone – mit dem Vorteil des besseren Klimas in Station und Mall.
Individuelles Eingehen auf örtliche Gegebenheiten
Viele individuelle Lösungen und optimal an bestehende Gegebenheiten angepasste Konzepte sind denkbar. Nur eines sollte beherzigt werden: Seilbahnen in der Stadt sind keine Anwendung von Bergbahnen in der Ebene. Sie stellen die Übersetzung einer im alpinen Gelände bewährten Technik in radikal anderem, urbanem Umfeld dar.
Die Akzeptanz von Nutzern wie auch Anrainern und Bewohnern kann durch das bestmögliche Eingehen auf örtliche Bedingungen deutlich gesteigert werden. Unter diesen Umständen sind Seilbahnen zukünftig auch in Europa als integraler Bestandteil des Öffentlichen Nahverkehrs denkbar.